Vonovia hält Mieterhöhungen für nötig

hier mal ein paar interessante und beeindruckende Zahlen zu dem Thema, wieviel Miete Mieter an Rendite der Wohnungsunternehmen zahlen müssen. Was könnte man herrlich die Mieten senken!

Hier kann man mal ganz deutlich einen Betrag nennen, das können, glaube ich, alle Mieter gut verstehen, wenn man ihnen mal ganz deutlich sagt, wieviel sie im Monat nur für die Renditezahlungen bezahlen müssen.

Das ist ein Auszug aus einem Beitrag von Herrn Prof. Dr. Christian Kreiß, der früher mal Banker war und dann wegen der unmoralischen Wirtschaftsweise eine Kehrtwendung gemacht hat und aus dem System ausgestiegen ist.:

Jeder Mieter von Vonovia zahlte also jeden Monat 192 Euro Extra-Miete, um die leistungslosen Dividenden an die Großeigentümer zu finanzieren. Pro Wohnung wurden von den Mietern also 2.300 Euro Dividende gezahlt.

Die Dividenden fließen zu 96 Prozent an Großanleger, die zu 89,8 Prozent im Ausland sind[13], und die vermutlich nicht so genau wissen, wo sich ihre vielen hunderttausend Wohnungen eigentlich befinden. Würde man die Dividenden, statt sie an die anonymen großen Kapitaleigentümer auszuschütten, den Mietern zurückgeben, woher sie ja stammen, könnte man die Mieten um etwa ein Drittel senken[14], statt sie ständig weiter zu erhöhen.

Vonovia hatte Ende 2020, vor der Übernahme von Deutsche Wohnen, 415.700 eigene Wohnungen.[15] Die Dividende für das Jahr 2020 betrug wie erwähnt 956 Millionen Euro.

192 Euro sind der Betrag netto nach Ertragssteuern. Setzt man vorsichtig einen Ertragssteuersatz von 30 Prozent an[16], so müssen brutto, vor Steuern, 275 Euro Mietzahlungen fließen, um netto, nach Abzug von 30 Prozent Ertragssteuern, 192 Euro Dividende ausschütten zu können. Also aus Mietersicht bedeutet das, dass von den Mietern jeden Monat im Durchschnitt etwa 275 Euro Mietaufschlag gezahlt werden müssen, um die Dividenden möglich zu machen. Andersherum ausgedrückt: Wenn man die Dividenden einstellen würde, wenn Vonovia beispielsweise eine Wohnungsgenossenschaft im Eigentum der darin wohnenden Genossen wäre, könnten die Durchschnittsmieten rechnerisch um etwa 275 Euro pro Monat gesenkt werden.

Und das führt uns zu einem Grundproblem des deutschen (und internationalen) Immobilienmarktes. Ein großer Teil der Mieten stellt reine Rentenzahlungen dar: „Bodenrenten sind leistungslose Einkünfte, die sich aus den Vorteilen des Standorts bei Lage, Nutzungsintensität und Qualität ergeben“[17], wie die Bodenspezialisten Dirk Löhr et al. 2021 schreiben. Bei Vonovia heißt das konkret: Nachdem alle Arbeiten, alle Leistungen erbracht sind, Reparaturen, Wartungen usw. und alle Zinsen für die Kredite bezahlt sind, bleibt ein Nettogewinn übrig, der nichts mehr mit Leistung oder Arbeit zu tun hat, sondern der leistungslos dadurch entsteht, dass man im Grundbuch steht und die Hand aufhalten kann, weil die anderen Menschen einfach Boden brauchen, um leben zu können.

Leistungslose Einkünfte heißt, dass man dafür keine Arbeit leisten muss. Sie sind so genannte Nicht-Arbeits-Einkommen bzw. Renteneinnahmen.[18] In der Ökonomie behandelt man dieses Thema unter dem Begriff rent seeking capitalism.[19] In Deutschland beliefen sich die Bodenerträge 2017 auf etwa 400 Milliarden Euro[20], die zum großen Teil Bodenrenten darstellen. Das ist erheblich mehr als der damalige Bundeshaushalt von etwa 330 Milliarden Euro.[21] Es geht hier also nicht um „peanuts“, sondern um riesige Geldtransfers von sehr vielen an sehr wenige Menschen, die dafür gezahlt werden, dass jemand im Grundbuch steht oder Aktien von Wohngesellschaften hält – ohne irgendetwas dafür zu arbeiten oder zu leisten. Letztlich findet hier ein perfekter, geräuschlos funktionierender Transfer „von Arbeit nach reich“, von vielen zu sehr wenigen statt. Denn sowohl der Aktienbesitz wie der Besitz von Grund und Boden ist äußerst ungleich verteilt und sehr stark konzentriert bei einer recht kleinen Gruppe von sehr wohlhabenden Menschen.[22]

Vonovia kündigt steigende Mieten an.

Am 1. Juni sagte Vonovia-Chef Rolf Buch in einem Interview, dass bei einer Inflation von dauerhaft vier Prozent auch die Mieten künftig jährlich dementsprechend ansteigen müssten. In den ersten drei Monaten 2022 seien die Mieten bei Vonovia bereits um 3,1 Prozent gestiegen.[1] 2021 hatten sich die Mieten bei Vonovia laut Handelsblatt im Durchschnitt um 2,4 Prozent erhöht[2], laut Angaben des Deutschen Mieterbundes dagegen um 3,8 Prozent, in Berlin gar um acht Prozent.[3] Von Christian Kreiß.

Der Protest erfolgte umgehend: Der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, kritisierte, dass Mieterinnen und Mieter nun für den eingebrochenen Aktienkurs von Vonovia und höhere Zinsen am Kapitalmarkt herhalten müssten. Das Geschäftsmodell börsennotierter Wohnungskonzerne sei unsozial und spekulativ. Am Ende würden alles die Mieterinnen und Mieter zahlen.[4]

Solche leistungslosen Rentier-Einkommen kritisierte schon 1936 der möglicherweise berühmteste Volkswirt John Maynard Keynes in seiner bahnbrechenden „General Theory“ scharf. Er sieht in dem Rentier-Kapitalismus keinen Sinn und bezeichnet Investoren, die Renten-Einkommen beziehen, als „funktionslose Investoren“ („functionless investors“), also sinnlose Investoren, die keinen Beitrag zum Wohlergehen in der Ökonomie leisten. Er spricht dabei explizit von solchen Eigentümern, die Bodenrenten (in Form von Mieten oder Pachten) erhalten. Solche funktionslosen Investoren müssten laut Keynes verschwinden, weil sie keinen ökonomischen Zweck erfüllen, und dürften nicht länger einen Bonus erhalten.[25] Genau das tun aber die Aktionäre von Vonovia (und anderen Immobilienunternehmen und andere große Bodenbesitzer). Sie bekommen zu Lasten der Mieterinnen und Mieter ohne zu arbeiten leistungslose Renteneinkommen in Form von Dividenden.

Insofern trifft der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, mit seiner Aussage „Am Ende zahlen alles die Mieterinnen und Mieter, das ist das Geschäftsmodell von Vonovia und Co., […] das Geschäftsmodell börsennotierter Wohnungskonzerne sei unsozial und spekulativ “[26] den Nagel auf den Kopf.

Was tun?

Es gibt eine ganze Reihe sehr vielversprechender Ansätze, um dem Übel abzuhelfen.[27] Vorschläge sind unter anderem 1.) die Enteignung von Großeigentümern, wie es bei dem Volksbegehren am 26.9.2021 in Berlin zur Abstimmung stand. Über 56 Prozent der Teilnehmer haben sich dabei für eine Enteignung ausgesprochen, 39 Prozent dagegen.[28] Man könnte 2.) ein neu, „smart“ ausgestaltetes, konzeptionell weiterentwickeltes kommunales Erbbaurecht einführen bzw. wiederbeleben. Auf diese Weise könnten Wohnungsbestände in die Sozialbindung zurückgeholt werden.[29] 3.) Neue Wohnungsgemeinnützigkeit oder Gemeinwohlwohnungen ausbauen.[30] 4.) Vorkaufsrecht für Kommunen bei zum Verkauf angebotenen Immobilien zu einem unter dem Marktpreis liegenden Wert. Im Anschluss könnten diese Liegenschaften auf Erbpachtbasis an private Nutzer oder Unternehmen für 99 Jahre vergeben werden. 5.) Vermehrung von Genossenschaften im Wohnbereich nach dem Vorbild der Raiffeisengenossenschaften. 6.) Progressive Abgabe auf Bodeneigentum, das nicht selbst genutzt wird. Nach Berücksichtigung eines Freibetrages von vielleicht 0,5 Millionen Euro für Bodeneigentum wird alles nicht selbst genutzte Bodeneigentum mit einer immer weiter steigenden Bodenwertsteuer belegt. Besonders gut mit dem Thema vertraut ist „Grundsteuer zeitgemäß“.[31] Dort findet man gute Konzepte, die man dringend umsetzen müsste.”

«4] tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/steigende-mieten-vonovia-inflation-101.html

[«13] Vonovia Geschäftsbericht 2020, S.48f.

[«14] Eigene Berechnung: ungefähr eine Milliarde Dividende 2021 geteilt durch etwa drei Milliarden Mieteinnahmen 2020

[«15] Vonovia Geschäftsbericht 2021, S.2

[«16] De facto lag der Ertragssteuersatz in den Jahren 2019, 2020 und 2021 bei 58,8, 33,4 und 48,4 Prozent, vgl. Vonovia Geschäftsbericht 2021 S.152 und Geschäftsbericht 2020 S.144, eigene Berechnungen

«17] link.springer.com/content/pdf/10.1007/s10273-021-2877-6.pdf

[«18] Vgl. Kreiß, Christian, Das Mephisto-Prinzip in unserer Wirtschaft, tredition 2019, S. 44ff. Das Buch kann hier kostenlos als pdf heruntergeladen werden: menschengerechtewirtschaft.de/wp-content/uploads/2020/08/Buch-Gekaufte-Wissenschaft-pdf.pdf

[«19] en.wikipedia.org/wiki/Rent-seeking

[«20] link.springer.com/content/pdf/10.1007/s10273-021-2877-6.pdf

[«21] bundesfinanzministerium.de/Monatsberichte/2017/02/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-5-Ausgaben-Einnahmen-Bundeshaushalt-2017.html

[«22] Vgl. Kreiß, Mephisto-Prinzip, S. 42ff. Zur Verteilung von Grund und Boden in Deutschland gibt es m.W. keine belastbaren Zahlen. Die Bodenverteilung ist laut dem Spezialisten Dirk Löhr eines der bestgehüteten Geheimnisse Deutschlands. In Österreich besitzen die 100 reichsten Familien 10 Prozent des Grund und Bodens (www.trend.at 5.7.2019), in den USA besitzen die 100 größten Bodeneigentümer 40 Millionen acres Land, das entspricht etwa der Größe Floridas (www.inequality.org 23.Sep.2019), der Multimilliardär Bill Gates ist laut „Forbes“ vom 14.1.2021 der größte Eigentümer von Agrarland in den USA.

«25] Keynes, John Maynard (1964, (Erstveröffentlichung 1936)): The General Theory of Employment, Interest and Money, New York, S.376: “I see, therefore, the rentier aspect of capitalism as a transitional phase […] that the euthanasia of the rentier, of the functionless investor, will be nothing sudden […} so that the functionless investor will no longer receive a bonus”.

[«26] tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/steigende-mieten-vonovia-inflation-101.html

«27] Ausgezeichnete, gut recherchierte und verständliche Vorschläge finden sich in: Hans-Böckler-Stiftung (Hg.): Löhr, Dirk, Soziale Wohnungspolitik – Zeitgemäße Konzepte und Instrumente, November 2021: boeckler.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-008198#:~:text=Zeitgem%C3%A4%C3%9Fe%20Konzepte%20und%20Instrumente%20Soziale%20Wohnungspolitik&text=Z0u%20modernen%20Ans%C3%A4tzen%20z%C3%A4hlen%20die,Studie%20einer%20Bewertung%20unterzogen%20

[«28] deutschlandfunk.de/volksentscheid-berlin-stimmt-fuer-enteignung-grosser-100.html

[«29] Löhr, Dirk, Deutsche Wohnen & Co. enteignen: Soziale Innovationen statt Knüppel aus dem Sack! Unveröffentlichtes Manuskript, Oktober 2021

[«30] Hans-Böckler-Stiftung (Hg.): Löhr, Dirk, Soziale Wohnungspolitik – Zeitgemäße Konzepte und Instrumente, November 2021

Zum Autor: Prof. Dr. Christian Kreiß, Jahrgang 1962: Studium und Promotion in Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftsgeschichte an der LMU München. Neun Jahre Berufstätigkeit als Bankier, davon sieben Jahre als Investment Banker. Seit 2002 Professor an der Hochschule Aalen für Finanzierung und Volkswirtschaftslehre. Autor von sieben Büchern: Gekaufte Wissenschaft (2020); Das Mephisto-Prinzip in unserer Wirtschaft (2019); BWL Blenden Wuchern Lamentieren (2019, zusammen mit Heinz Siebenbrock); Werbung nein danke (2016); Gekaufte Forschung (2015); Geplanter Verschleiß (2014); Profitwahn (2013). Drei Einladungen in den Deutschen Bundestag als unabhängiger Experte (Grüne, Linke, SPD). Zahlreiche Fernseh-, Rundfunk- und Zeitschriften-Interviews, öffentliche Vorträge und Veröffentlichungen. Mitglied bei ver.di und Christen für gerechte Wirtschaftsordnung. Homepage menschengerechtewirtschaft.de

 

Quelle

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