Panikmache oder Folgen: Spandauer Amtsgerichtsurteil kippt Berliner Mietspiegel 2021

Erstmals seit 1987 hat die Hauptstadt keinen gültigen Mietspiegel mehr. Das geht aus einem Urteil des Amtsgerichts Spandau hervor.

Das Amtsgericht hat in seinem am 6. April veröffentlichten Urteil (Az. 6 C395/21) befunden, dass der Berliner Mietspiegel 2021 weder ein qualifizierter noch ein einfacher Mietspiegel sei. Das Verfahren, dem ein Mieterhöhungsverlangen zugrunde lag, wurde als unbegründet zurückgewiesen. Für Mieter und Vermieter könne das Urteil weitreichende Folgen haben, sagt Steffen Sebastian, Professor am Irebs Institut für Immobilienwirtschaft der Universität Regensburg. Gut organisierte Großvermieter, die drei passende Vergleichsmieten vorlegen, können nach dem Urteil Mieten auch weit über den Mietspiegel hinaus erhöhen. Private Kleinvermieter hingegen haben weder die Möglichkeit, den Mietspiegel von 2019, noch den von 2021 anzuwenden, da eine Mieterhöhung formal unbegründet und der Mieter nicht verpflichtet wäre, ihr zuzustimmen. Sebastian, gleichzeitig Vorsitzender der Mietspiegelkommission der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung (Gif), hält zudem große Preissprünge bei Neuvermietungen für realistisch. Das Bundesverfassungsgericht hatte am 18. Juli 2019 (u.a. Az. 1 BvL 1/18) festgelegt, dass Mieter und Vermieter die gesetzlich zulässige Miete in zumutbarer Weise ermitteln können müssen. Nach dem Urteil des Amtsgerichts Spandau ist für Sebastian deshalb die Gültigkeit der Mietpreisbremse in Gefahr. “Ohne Mietspiegel läuft die Mietpreisbremse bereits de facto ins Leere”, erklärt der Wissenschaftler. Der Mieterschutz sei damit sehr eingeschränkt. Sebastian fordert nun Berlins Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) auf, die Zuständigkeit für den Mietspiegel an das Amt für Statistik Berlin Brandenburg zu übergeben. ….. zitiert aus … Quelle … IZ

Der Berliner Mietspiegel 2021 ist weiter gültig. Daran ändern weder ein Spandauer Amtsgerichtsurteil noch eine die Berliner Mietspiegel diskreditierende Stellungnahme des Regensburger Professors Dr. Steffen Sebastian etwas“, erklärte der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild.

Berlin hat 11 Amtsgerichte mit mehreren Dutzend Abteilungen und 5 Landgerichtskammern, die sich mit Mietsachen befassen. Maßgeblich für die Akzeptanz des Mietspiegels sind die Urteile der fünf Landgerichtskammern. Für den Berliner Mietspiegel 2021 liegt jedoch noch keine veröffentlichte Rechtsprechung der Landgerichte vor. Den Berliner Mietspiegel 2021 anerkannt haben das Amtsgericht Neukölln (Az 13 c 43/21) und das Amtsgericht Lichtenberg (Az 10 C 553/21). Nicht anerkannt hat den Mietspiegel bisher nur eine Abteilung des Amtsgerichts Spandau (Az 6 C 395/21). „Aus einem Amtsgerichtsurteil den Schluss zu ziehen, der Berliner Mietspiegel 2021 sei ungültig, ist unseriöse Panikmache. Dass deshalb auch die Mietpreisbremse nicht anwendbar sei, ist doppelter Unfug“, erklärte Wild. „Wir werden uns bei der Universität Regensburg und beim bayrischen Wissenschaftsministerium beschweren, wie ein Professor unter dem Briefkopf einer renommierten Universität solchen Unsinn verbreiten kann“, erklärte Wild.

Das Amtsgericht Neukölln stellt zutreffend fest, insoweit die Qualifiziertheit des Mietspiegels nicht substantiiert angegriffen wird, sei es für die Anwendung nicht bedeutsam, ob er tatsächlich qualifiziert sei. Schon seit Jahren ist die Rechtsprechung, sehr zum Ärger der Mietspiegel-Gegner, eher pragmatisch, was ihr den Ruf einer „Bypass-Rechtsprechung“ einbrachte. Auf jeden Fall könne der Berliner Mietspiegel 2021 als einfacher Mietspiegel herangezogen werden, er sei ein Indiz dafür, dass die abgebildeten Mietwerte die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend wiedergeben, so das Amtsgericht Neukölln. Das Urteil des Amtsgerichts Spandau hingegen schadet letztendlich auch den gutwilligen Vermietern, denn viele können Mieterhöhungen nicht alternativ mit Vergleichswohnungen begründen. … zitiert aus … Quelle … Berliner Mieterverein

Die MIETERPARTEI fordert die Novellierung des Mietspiegels, die Einberechnung von Altmieten und von (eigentlich zweckentfremdeten) Leerstand mit NULL Euro. So könnte ein realistischer Spiegel entstehen und kein Zerrbild. Es könnte gewährleistet werden, dass der Mietspiegel durch die rasant steigenden Mieten nicht nur als Mieterhöhungsspiegel betrachtet und ausgenutzt wird. Wir sehen in Berlin, dass an vielen Stellen gebaut wird, aber eben weit am Bedarf vorbei, also nicht für Normal-Verdienerinnen gebaut, sondern für gut betuchte Käuferinnen von Eigentum. Oder es werden Bürotürme errichtet, obwohl wir eher leer stehenden Bürotürme in Miet-gemeinnützigen Wohnraum umbauen müssten. Auch Homeoffice schmälert den Bedarf an Büroräumen.

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