Interview mit Leilani Farha (UN-Sonderberichterstatterin bis 2020 für das Menschenrecht auf angemessenes Wohnen)

„Mieterinnen müssen sich global vernetzen“

Leilani Farha weiß, wie Immobilienkonzerne aus der Corona-Krise Profit schlagen
Leilani Farha geb. 1968, ist eine kanadische Anwältin und Geschäftsführerin der NGO „The Shift“, die ihren Sitz in Ottawa hat und sich für eine globale Bewegung für Wohnen als Menschenrecht einsetzt. Von 2014 bis April 2020 arbeitete Farha als UN-Sonderberichterstatterin für das Menschenrecht auf angemessenes Wohnen. Sie verfasste Berichte über Wohnungslosigkeit, die Bedeutung von Wohnraum an sich und die Auswirkungen, wenn Wohnraum als Ware behandelt wird.

der Freitag: Frau Farha, zu Beginn der Corona-Pandemie sagten Sie, selten sei das Wohnen so sehr eine Frage von Leben und Tod gewesen. Ist das noch immer so?

Leilani Farha: Die Frage des Wohnens sollte als jene globale Krise diskutiert werden, die sie ist. Obdachlose Menschen waren einem höheren Risiko ausgesetzt, sich mit dem Virus anzustecken. Und auch ich hätte nicht erwartet, dass so viele Menschen auf einmal ihre Miete nicht mehr bezahlen konnten und sich vor Zwangsräumungen fürchten mussten. Vielerorts gibt es zwar Moratorien für Zwangsräumungen, aber die Höhe der Schulden mancher Menschen ist erschreckend. Vor allem in Westeuropa und Nordamerika muss man sich Gedanken machen, wie die Menschen diese Schulden abbezahlen werden.

der Freitag: Im Frühjahr 2020, als die Leute alle zu Hause bleiben sollten, war die Frage des Wohnens in der Öffentlichkeit präsent. Das ist inzwischen nicht mehr der Fall.

Leilani Farha: Das Thema erfährt nicht annähernd genug Aufmerksamkeit. Alles dreht sich um die Erholung der Wirtschaft und um Impfungen. Als würden soziale Probleme wie etwa die Frage des Wohnens einfach durch einen Impfstoff gelöst. Doch mich beunruhigt eine andere Frage: Wer behält den Überblick über die Wohnhäuser, die derzeit auf den Markt kommen, weil ihre Eigentümer überschuldet sind und verkaufen müssen? Wer stellt sicher, dass diese Wohnhäuser nicht von Investoren gekauft werden? Diese Finanzakteure sind immer auf der Suche nach einem guten Geschäft, und was ist ein besseres Geschäft, als ein Mietshaus von Besitzern zu kaufen, die in Schwierigkeiten sind, um die Krise auszusitzen und anschließend die Mieten zu erhöhen?

der Freitag: Wessen Aufgabe sollte es sein, so etwas zu kontrollieren?

Leilani Farha: Jeder Nationalstaat sollte überwachen, was innerhalb seiner eigenen Grenzen passiert – auch wenn derlei Transaktionen über Grenzen hinausgehen. Natürlich sollte jede Regierung sich um ihren eigenen Wohnungsbestand kümmern. Das spielt aber in den derzeitigen wirtschaftspolitischen Diskussionen überhaupt keine Rolle. Schauen wir uns zum Beispiel Kanada an: Im Moment sind Konsum und Immobilienmarkt dort die Treiber der Wirtschaft. Der Chef der kanadischen Nationalbank sagte vor kurzem, er wolle auf den aktuell schon überhitzten Immobilienmarkt nicht mit einer Anpassung der Zinssätze reagieren. Weil die Wirtschaft im Moment so schwach sei, brauche es die Energie aus dem Immobiliensektor: ……..

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