Obdachlosigkeit ist kein Outdoorausflug
Nun gibt es Rucksäcke speziell für obdachlose Menschen. Das ist gut gemeint – aber wollen wir uns wirklich an Wohnungsnot gewöhnen?
Im vergangenen Jahr stellte eine Initiative eigens für ein Übernachten auf der Straße designte Schlafsäcke vor, die tagsüber als Jacke oder Overall dienen können. Am Kottbuser Tor verteilte ein Bündnis im vergangenen Dezember spezielle Thermoskannen. Alles gut gemeint, und die Rucksäcke sind wohl gut gemacht. Doch diese eigens für Obdachlose entworfenen Ruck- und Schlafsäcke mögen zwar das Leben von Menschen, die ihre Tage und Nächste auf der Straße verbringen müssen, etwas einfacher machen. Sie machen deren Lebenssituation aber auch ein Stück normaler.
Nur eine Frage des Outfits?
Obdachlosigkeit wird so zu einem Fakt, an den sich die, die noch eine Wohnung haben, gewöhnen. Sie wird zu einer Frage der Ausrüstung, einer Situation, der sich Betroffene eben nur mit dem richtigen Outfit anpassen müssen – fast so wie eine Wanderung in Funktionsklamotten, bei der es ja auch oft heißt, es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung.
Aber Obdachlosigkeit ist kein Outdoorausflug. Sie ist ein gesellschaftliches Problem. Menschen ohne festen Wohnsitz brauchen mehr Schutz als eine Bauchtasche fürs Bargeld. Auch mit gutem Rucksack, Schlafsack und Isomatte macht ein Leben ohne Wohnung kaputt: die Lebenserwartung sinkt, viele Menschen werden körperlich oder psychisch krank.
Der Grund dafür, warum Bezirke wohnungslosen Menschen eigentlich eine Unterkunft geben müssen, ist ja, dass sie geschützt werden sollen. Ihre Gefährdung ist real: Am Sonntagabend steckten Unbekannte die Schlafstätte von fünf Menschen unter einer Brücke am Ostbahnhof in Brand. Zwei Wochen zuvor war ein Brandsatz auf das Zelt von zwei Obdachlosen an der Skalitzer Straße in Kreuzberg geworfen worden. Am folgenden Tag wurde eine wohnungslose Frau in einem Park in Neukölln brutal angegriffen und ausgeraubt. Mitte September war ein obdachloser Mann in Lichtenberg angegriffen und lebensgefährlich verletzt worden. Aufschrei oder Solidaritätskundgebungen blieben weitgehend aus. Auch daran sollten wir uns nicht gewöhnen.
Ob dieser Schlaf-Jacken-Rucksack oder die Schlafsärge, auch Ulmer Nester genannt dienen nur der weiteren Verwaltung von Obdachlosen. Menschen brauchen
ein Zuhause nicht nur um es warm zu haben. Es ist Lebensraum der Entfaltung sowie der Gesundheit und Sicherheitsort zugleich. Die beiden oben genannten menschenverachtenden Varianten sind keine Alternative zu einer Wohnung oder zu selbst verwalteten Projekten wie Wagenburgen. Die Varianten werden weder die täglich stattfindenden 130 Zwangsräumungen am Tag und damit die Zunahme an Obdachlosigkeit beenden und werden auch nicht dafür sorgen, dass Obdachlosigkeit durch eine weiteren Armutsindustriezweig menschenwürdiger wird. Wir fordern, dass in Berlin die städtischen Wohnungsbaugesellschaften ihre leerstehenden Wohnungen, auch die, die unter Modernisierungsvorbehalt stehen Obdachlosen Menschen zur Verfügung gestellt werden. Da braucht es auch keinen Träger, es sollen ja auch keine Massenunterkünfte werden. Endlich Leerstand zu Wohnraum und die Landeseigenen müssen in Vorbildfunktion beginnen. Schließlich stehen ca. 4000 Wohnungen leer. Siehe Leerstand bei den Landeseigenen Wohnungsunternehmen und dessen
Leerstand bei landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften 2017
Leerstand bei landeseigenen Wohnungsunternehmen
Leerstand und verfallende Wohnhäuser trotz
Eine Gesellschaft muss sich daran messen, wie die vermeintlich “Schwächsten” behandelt werden, deshalb bedarf es das Recht auf Wohnen im Grundgesetz und deren zwingende Umsetzung, denn der Artikel 28 der Berliner Landesverfassung und damit das Recht auf ein Zuhause wird mit Füßen getreten. Die Zweckentfremdung von Wohnraum wird nicht geahndet, Airbnb Wohnungen werden geduldet und es werden lieber bewohnbare und leisbare Häuser abgerissen.
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