„Bündnis Klinikrettung“ Bundesweite Krankenhausschließungen jetzt stoppen!

In Deutschland schließen seit Jahren fast monatlich Krankenhäuser. Kommunale Kliniken machen dicht, weil ihnen das Geld ausgeht, private Kliniken werden geschlossen, weil sie aus Sicht der Eigentümer nicht genügend Rendite erbringen. Der Bund fördert solche Schließungen sogar mit 500 Millionen Euro jährlich! Diese Entwicklung muss umgehend gestoppt werden. Krankenhäuser retten Leben. Wir brauchen sie in Krisenzeiten und im Alltag. 

Zu den Impulsgebern aktueller Schließungen gehört die Bertelsmann Stiftung, die mit einer Studie im Juli 2019, die Ausdünnung der Krankenhauslandschaft empfohlen hat. Extremszenarien von beauftragten Gutachtern legen die Reduktion von 1400 Plankrankenhäusern auf nur noch 330 Super-Kliniken nahe.

Unverzüglich, noch im Sommer 2019, hat das Land Nordrhein-Westfalen mit der Umsetzung begonnen und die Berateragentur Partnerschaft Deutschland – Berater der öffentlichen Hand GmbH mit einem Gutachten beauftragt. Danach soll die Zahl der Kliniken in diesem Bundesland um bis zu 60 Prozent reduziert werden. Bis zum Spätsommer 2020 wird in NRW ein neuer Krankenhausplan ausgearbeitet. Krankenhäuser, die nicht wieder in den Plan aufgenommen werden, sind gezwungen zu schließen. NRW gilt als Pilotprojekt, es dient als Vorbild auch für andere Bundesländer.

Der Rückzug von Krankenhausversorgung aus der Fläche wird für Akutkranke das Sterblichkeitsrisiko erhöhen. Profiteure werden die fünf großen privaten Klinikkonzerne sein: Fresenius, Helios, Sana, Asklepios und Rhön-Kliniken. Sie werden im Gegensatz zu öffentlichen Krankenhäusern in der Lage sein, große Zentralkiniken einzurichten. Der weiteren Privatisierung im Krankenhaussektor wird damit Tür und Tor geöffnet.

Deswegen fordern wir: Bund und Länder müssen sicherstellen, dass

  • kein Krankenhaus mehr geschlossen wird (das schließt ein, dass Fördermittel für Schließungen sofort gestrichen werden).
  • insolvente oder von der Insolvenz bedrohte private Krankenhäuser von der öffentlichen Hand übernommen und betrieben werden, von der Insolvenz bedrohte kommunale oder Kreis-Krankenhäuser vom jeweiligen Bundesland übernommen und betrieben werden.
  • das Fallpauschalensystem abgeschafft wird.

Noch Ende März bekräftigte die Bundesregierung, dass sie an ihren Plänen festhält – mitten in der Corona-Krise!
Ohne öffentlichen Druck gehen die Schließungen also weiter, so wie aktuell in Ettenweiler, Köln-Holweide, Ottweiler oder bei den Neckar-Odenwald-Kliniken.

Machen Sie mit, bauen Sie gemeinsam mit dem Klinikpersonal und uns Druck auf!

Zusammen können wir die Schließungen der Kliniken stoppen. Gesundheitsversorgung muss wieder Daseinsvorsorge werden und darf nicht länger eine Ware sein!

  • Unterzeichnen Sie jetzt unsere bundesweite Petition an Jens Spahn gegen Krankenhausschließungen und sammeln Sie weitere Unetrschriften (Unterschriftenliste zum Ausdrucken)
  • Werden Sie Teil vom bundesweiten „Bündnis Klinikrettung“. Mehr Informationen zum Bündnis weiter unten.
  • Schreiben Sie eine E-Mail an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit der Frage: Sehr geehrter Herr Bundesgesundheitsminister Spahn, sichern Sie zu, dass in Deutschland kein Krankenhaus mehr geschlossen wird? Adressieren Sie Ihre E-Mail an folgende Adressen: poststelle@bmg.bund.dejens.spahn@bundestag.de. Leiten Sie bitte die Antwortschreiben an uns weiter: info@gemeingut.org
  • Unterschreiben Sie unseren Aufruf an den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet „NRW-Krankenhausschließungen jetzt stoppen!“ oder den offenen Brief an Herrn Laschet der Initiative „Regionale Krankenhausinfrastruktur erhalten!“.

Bündnis Klinikrettung: Wer wir sind und was wir fordern

Wir sind eine Gruppe von bundesweit politisch Aktiven, Pflegepersonal, ÄrztInnen, PatientInnenvertretung, KlinikleiterInnen und GewerkschafterInnen die Anfang 2020 das bundesweite „Bündnis Klinikrettung“ gegründet haben. Der Träger des Bündnisses ist Gemeingut in BürgerInnenhand (https://www.gemeingut.org/).

Das Selbstverständnis des Bündnisses ist hier zu finden.

Das Logo des Bündnisses Klinikrettung: als .png-Datei, als .jpg (cmyk-Version).jpg (rgb-Version), und als PDF in DIN A3 Größe.

Organisationen und Einzelpersonen sind eingeladen, Teil unseres Bündnisses zu werden. Bei Interesse, schreiben Sie uns an info@gemeingut.org oder rufen Sie und an: 030 37 300 442.

Bündnispartner

 

Gemeingut in BürgerInnenhand (Träger des Bündnisses)
Weidenweg 37, 10249 Berlin
Tel.: 030 37 300 442, E-Mail: info@gemeingut.org, Web: http://www.gemeingut.org

 

Initiative Regionale Krankenhausinfrastruktur erhalten
E-Mail: info@regionale-krankenhausinfrastruktur.de
Web: https://regionale-krankenhausinfrastruktur.de

 


attac Hamburg (Büro)
Werkstatt für internationale Kultur und Politik (W3)
Nernstweg 32–34 (1. Stock), 22765 Hamburg
E-Mail: hamburg@attac.de, Web: https://attac.hamburg/

 

Hamburger Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus
c/o Stadtteilbüro St. Georg
Hansaplatz 9, 20099 Hamburg
E-Mail: info@pflegenotstand-hamburg.de, Web: www.pflegenotstand-hamburg.de/

 

 

Bundesverband Gemeinnützige Selbsthilfe Schlafapnoe Deutschland e.V. GSD
Helmut Dendl stellv. Vorsitzender
Ottostr. 1, 94474 Vilshofen
Tel.: 01785969844, E-Mail: helmut.dendl@gsdschlafapnoe.de
Web: https://gsdschlafapnoe.de

 

Was wollen wir?

Wir wollen erreichen, dass bundesweit keine Krankenhäuser mehr geschlossen werden.
Gegenüber den 1970er Jahren haben wir in Deutschland 53 Prozent weniger Kliniken und vielerorts längere Wege. Dabei hat spätestens die Corona-Krise gezeigt, dass eine flächendeckende und gut ausgestattete Krankenhausinfrastruktur überlebenswichtig ist. Trotz der Erkenntnisse aus der Krise treiben der Bund und die Länder die Klinikschließungen weiterhin voran, gefördert aus einem Strukturfonds, der jährlich annähernd 750 Millionen Euro enthält. Seit Jahrzehnten bleiben Krankenhaus-Investitionen als Aufgabe der Länder immer weiter hinter dem Bedarf zurück. Das Mitte der 2000er Jahre eingeführte System der Abrechnungspauschalen (Diagnosis Related Groups/DRG: deutsch diagnosebezogene Fallgruppen) übt einen Druck zur Gewinnerwirtschaftung aus. Bei Verlusten drohen über kurz oder lang teilweise oder vollständige Schließungen und bewirken Arbeitsdruck und Einsparungen auf Kosten der Krankenhausbeschäftigten.
Zwei aktuelle Forsa-Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Befragten (86 Prozent) die Krankenhausschließungen ablehnt und für 93 Prozent die wohnortnahe Krankenhausversorgung wichtig oder sehr wichtig ist.
Die Zeit ist reif für entscheidende Veränderungen. Jetzt benötigen wir den Druck aus der Zivilgesellschaft, die Veränderungen politisch auch umzusetzen. Wir sind überzeugt: In einem breiten Bündnis können wir einen Stopp des weiteren Abbaus von Krankenhäusern erreichen. Die Krankenhausstruktur ist Teil einer Daseinsvorsorge und nicht einer Gewinnwirtschaft.

Unsere Forderungen sind:

  1. Kein Krankenhaus darf mehr schließen. Insolvente und akut von Insolvenz bedrohte Kliniken werden vom Staat aufgefangen, ihr Weiterbetrieb wird öffentlich abgesichert, notwendige Investitionen werden bezahlt.
  2. Die Schließungsförderung über den Krankenhausstrukturfonds wird sofort gestoppt.
  3. Das Krankenhauspersonal wird erheblich aufgestockt, und seine Bezahlung und Arbeitsbedingungen werden verbessert, um Überlastung zu verhindern und Abwanderung zu reduzieren.
  4. Klinisch notwendige Behandlungen entziehen sich jeder Planung. Die gesetzlich vorgeschriebene leistungsbezogene Planung, Verhandlung und Abrechnung von Fallpauschalen (DRG-System) wird durch ein kostendeckendes Abrechnungssystem ersetzt.
  5. Die Krankenhäuser werden in den Zentren und auf dem Land mit ausreichenden Intensivstationen, Isolierstationen, Beatmungseinheiten, Schutzkleidungen sowie diagnostischen Mitteln und Medikamenten ausgestattet – so dass sie vorbereitet sind für Versorgungen bei Pandemien, Epidemien und Katastrophen.
  6. Die Betten- und Personalausstattung der Krankenhäuser wird unter Einbezug von Jahresspitzen, Katastrophen und Pandemien geplant, anstelle der bisherigen Auslegung nach jahresdurchschnittlicher Auslastung.
  7. In den derzeit unterversorgten Regionen Deutschlands wird die Zahl der Betten, Notaufnahmen, Intensiv- und Geburtenstationen etc. durch Förderung der öffentlichen Kliniken auf das notwendige Maß angehoben.

Diese Forderungen richten wir an den Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und die GesundheitsministerInnen der Länder.

Was verstehen wir unter Bündnismitarbeit?

  • gemeinsame Beratung und Entwicklung der Strategie
  • Teilnahme an den Arbeitstreffen/Bundestreffen
  • gemeinsame Pressemitteilungen / Pressearbeit / social media-Arbeit
  • Bereitstellung der Logos und der Kontakte auf einer Kampagnenwebseite

Privatisierungen und Gewinnmaximierung im Gesundheitssystem

Die Krankenhausversorgung in Deutschland ist von Privatisierung und Kommerzialisierung geprägt. Es gibt für Krankenhäuser die Vorgabe, gewinnorientiert zu arbeiten. Die Folge: Bettenmangel und Pflegenotstand. Krankenhausprivatisierungen nehmen in Deutschland besonders schnell zu, es gibt bereits mehr private als öffentliche Krankenhäuser, fünf große Klinikkonzerne haben sich gebildet: Rhön-Kliniken, Sana, Fresenius, Helios und Asklepios [1]. Sie erwirtschaften Milliarden-Umsätze und bieten Anlagemöglichkeiten für globale Finanzakteure. Das im Jahr 2003 eingeführte Fallpauschalensystem (Diagnosis Related Groups – DRG) ökonomisiert Gesundheit noch weiter und setzt Fehlanreize: weg von der kostenintensiven Grundversorgung hin zu „lohnenden Operationen“. Mit der Privatisierung der Krankenhäuser wurde auch der Auftrag der Krankenhäuser zur Pflichtversorgung durchlöchert: Private Kliniken können sich dem entziehen und sich auf „lukrativere“ PatientInnen konzentrieren.
Viele Probleme rühren aus der Vorstellung, dass das Gesundheitswesen kommerzialisiert werden kann und soll. Seit den 1990er Jahren wird Gesundheitsversorgung zunehmend als Finanzprodukt aufgefasst. Die Folgen sind der sukzessive Abbau von Krankenhäusern und die sinkende Qualität der PatientInnenversorgung. Seit Beginn der 90er Jahre nahm in Deutschland die Zahl der Krankenhäuser um 20 Prozent und die der Krankenhausbetten um 25 Prozent ab. Die PatientInnen-/Fallzahlen sind im gleichen Zeitraum um 33 Prozent gestiegen [2].
Wir leben in einer alternden Gesellschaft. Im Bereich der Schlaganfälle wird zum Beispiel eine Verdoppelung der Fälle bis 2030 erwartet. Auch Epidemien wie SARS, BSE, MERS oder Covid-19 nehmen zu. WissenschaftlerInnen gehen davon aus, dass aufgrund der sinkenden Biodiversität Zoonosen (Infektionskrankheiten die vom Tier auf den Menschen übertragen werden) in Zukunft noch häufiger zu erwarten sind. Auch diese Dinge sprechen gegen Krankenhausschließungen und den Rückzug aus der Fläche.

Kürzungen zur Qualitätssteigerung?

Nach jahrzehntelanger Privatisierung, Schwächung und Unterfinanzierung öffentlicher Krankenhäuser wird mangelnde Qualität kritisiert. Aber anstatt die Krankenhäuser besser aus zu finanzieren, wird die Forderung aufgestellt, viele Kliniken einfach zu schließen – gern wird hier von der Schließung schlechter ausgestatteter Häuser gesprochen. Bund und Krankenkassen verschärfen den Qualitätsbegriff für Krankenhäuser. Ein gutes Krankenhaus ist demnach eines, das alle Operationen anbieten kann. In das gleiche Horn stoßen die BeraterInnen, die ihre Vorschläge mit dem Ziel „Leben zu retten“ begründen. Glaubt man ihnen, kann PatientInnen nur in technisch optimal ausgestatteten Kliniken und nur durch Ärzte geholfen werden, die täglich mehrere komplizierte Operationen durchführen. Die Schließung zahlreicher Kliniken würde somit zu mehr Qualität und Effizienz führen.

Dafür sollen die PatientInnen einen längeren Anfahrtsweg in Kauf nehmen, genau das aber gefährdet im Notfall Menschenleben. Durch die Schließung der Kliniken in der Fläche wird der Weg zum nächsten Krankenhaus weiter – ein Risiko für AkutpatientInnen. Bei Schlaganfall, Herzinfarkt oder Sepsis zählt jede Minute. Aufgrund der weiten Fahrtwege werden auch die Notärzte länger als zuvor für die einzelnen Notfälle benötigen und somit für weitere Notfälle nicht verfügbar sein [3]. Von dem bisher geltenden Prinzip, dass jeder Mensch in Deutschland innerhalb von 30 Minuten ein Krankenhaus erreichen soll, rücken die PoltikerInnen jetzt ab. Bisher benötigten nur 0,29 Prozent der BürgerInnen 30 oder mehr Minuten bis zum nächinfo (at) pflegenotstand-hamburg.desten Krankenhaus. Wenn jetzt regional viele Krankenhäuser schließen, werden um die drei Prozent der Bevölkerung (circa 2,5 Millionen) mehr als 30 Minuten Fahrzeit zur nächsten Klinik benötigen. [4] Zeit-Studien aus den USA zeigen [5], dass nach der Schließung regionaler Krankenhäuser die Sterblichkeit bei der Landbevölkerung um sechs Prozent gestiegen ist. Diesen Nachteil versuchen die BefürworterInnen zu verharmlosen, die Bertelsmann-Studie empfiehlt sogar ein anderes Geschwindigkeitsmodell. [6]

Viele PatientInnen benötigen keine komplizierten Operationen und müssen trotzdem stationär behandelt werden. Bei einer Blinddarm-Operation oder einer schwer verlaufenden Grippe müssen die Menschen ins Krankenhaus und, wenn sie älter sind, auch länger stationär therapiert werden. Solche Behandlungen sind nicht profitabel und führen kleine lokale Krankenhäuser in den finanziellen Ruin. Super-Kliniken beziehungsweise private Kliniken reißen sich um derartige Patienten nicht beziehungsweise spezialisieren sich auf lukrative Bereiche. Folgt dann künftig die Fahrt von einer Klinik zur nächsten?

Ein weiterer Nachteil ist die Erreichbarkeit für die Angehörige. Gesundheitsfördernde Besuche werden seltener.

Die Schließung von Krankenhäusern lässt Kommunen weiter verwaisen. Ist nach Post oder Bahn schließlich auch die Klinik weg, wird die Landflucht weiter vorangetrieben. Die im Grundgesetz vorgeschriebene Gleichwertigkeit der Verhältnisse in den Ländern wird durch den Infrastrukturabbau in vielen Orten verletzt. Das Ausbleiben öffentlicher Investitionen zieht Arbeitsplatzabbau nicht nur im öffentlichen Sektor, sondern auch in anderen Bereichen nach sich. Wirtschaftlicher Abstieg ist vorprogrammiert.

Nicht zuletzt benötigt man für die Kliniken, die abgebaut werden, einen Ersatz, und dieser Ersatz sollen zentrale Großkliniken sein. Sie müssen aber zunächst aufgebaut werden. Dass das unter Umständen mehr kostet, als Investitionen in die Erneuerung eines lokalen Krankenhauses, zeigt das Beispiel aus Künzelsau in Baden-Württemberg. Dort wurde für die Ertüchtigung des Krankenhauses die Investition von vier Millionen Euro verweigert. Stattdessen soll die Klinik im Nachbarort Öhringen ausgebaut werden. Der Neubau soll 100 Millionen Euro kosten. 51,5 Millionen Euro dafür kommen von der Landesregierung, die das Geld nur gibt, wenn gleichzeitig Betten woanders abgebaut werden. [7]

Gut eingefädelte Schließungsstrategie

Die Debatte über die Ausdünnung der Krankenhauslandschaft in Deutschland nahm 2016 ihren Anfang. So wurde von der Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften in Halle eine Tagung ausgerichtet und ein Diskussionspapier unter dem Titel „Zum Verhältnis von Medizin und Ökonomie im deutschen Gesundheitssystem“ verfasst. Darin wurden Probleme aufgelistet und die Lösung präsentiert: Zur Sicherung der Qualität und der Effizienz sollen „viele kleinere ältere Krankenhäuser durch wenige neue ersetzt“ werden. Der hier präsentierte Kürzungsvorschlag auf nur noch 330 Krankenhäuser bundesweit stammt von einem Vergleich: „Von den 1.646 allgemeinen Krankenhäusern in Deutschland im Jahr 2014 waren 35 Universitätsklinika und 1.371 Plankrankenhäuser, also solche, die in den Krankenhausplänen der Länder gelistet sind und Anspruch auf steuerfinanzierte Investitionen haben. […] Hätte Deutschland die Krankenhausstruktur von Dänemark mit einem Krankenhaus pro 250.000 Einwohner, wären es bei uns 330 […] Die dänische Krankenhausstruktur ist das Resultat einer landesweit abgestimmten Reform, die für rund 1.000 Euro pro Kopf der Bevölkerung viele kleinere ältere Krankenhäuser durch wenige neue ersetzt hat.“ Der Wissenschaftliche Beirat im Bundesministerium der Finanzen übernahm im Jahr 2018 die Vorschläge: „Hätte Deutschland die Krankenhausstruktur seines nordischen Nachbarn [Dänemark], kämen in der Akutversorgung auf 1000 Einwohner nicht 6,1 Betten, sondern lediglich 2,5. Auch gäbe es nicht 1371 Plankrankenhäuser, sondern lediglich 330.“ [8]

Im Juli 2019 veröffentlichte die Bertelsmann Stiftung ihre Studie mit dem Titel „Zukunftsfähige Krankenhausversorgung“. Darin empfiehlt die Stiftung circa 800 der gegenwärtig etwa 1400 Plan-Krankenhäuser zu schließen, mit der Begründung: „Deutschland hat zu viele Krankenhäuser. Veränderungen der Krankenhaus-Landschaft werden als unumgänglich erachtet.“ Durch die Schließung von Kliniken können laut Stiftung mehr Personal, bessere Ausstattung und höhere Qualität erreicht werden. Die Stiftung fordert zudem eine Reduzierung der Krankenhausaufenthalte und eine noch stärkere Profitorientierung.

Beide Studien, sowohl der Leopoldina als auch der Bertelsmann-Stiftung, wurden federführend von dem gleichen Experten, Herrn Prof. Dr. med. Reinhard Busse (Fachgebiet Management im Gesundheitswesen, Technische Universität Berlin) erstellt. Das bedeutet, dass beide voneinander unabhängig erscheinenden Studien/Gutachten den gleichen Urheber haben.

Von der Schließung kleinerer Krankenhäuser und dem Aufbau großer Super-Kliniken werden vor allem private Klinikkonzerne profitieren. Im Gegensatz zu den öffentlichen oder freigemeinnützigen beziehungsweise kirchlichen Krankenhausträgern werden die Konzerne die Großkliniken auf- und ausbauen. Im Vorstand der Bertelsmann Stiftung sitzt Brigitte Mohn, die zugleich Aufsichtsrätin der Röhn-Kliniken ist. Da verwundert es nicht, dass die Interessen der Klinikkonzerne in der Bertelsmann-Studie Gehör gefunden haben. Allein die Rhön-Kliniken erwirtschafteten im Jahr 2018 einen Gewinn von rund 51,2 Millionen Euro [9], der Aufbau der Megakliniken verspricht den Privaten ein großes Geschäft.

Das Pilotland Nordrhein-Westfalen

Kurz nach dem Vorliegen der Bertelsmann-Studie beauftragte das Land Nordrhein-Westfalen ein Gutachten bei der Berateragentur Partnerschaft Deutschland – Berater der öffentlichen Hand GmbH, in dem ebenfalls das Eindampfen der Krankenhausstruktur empfohlen wird. Aktuell wird in NRW ein neuer Krankenhausplan ausgearbeitet, in dem die Finanzmittel neu verteilt werden. Krankenhäuser, die nicht wieder in den Plan aufgenommen werden, sind gezwungen, zu schließen. Im Herbst 2019 wurden bereits alle Krankenhäuser in NRW aufgefordert, gegebenenfalls eine „Förderunterstützung“ für ihre Schließung zu beantragen. Dafür wurden (bundesweit) bis zu 500 Millionen Euro aus dem Krankenhausstrukturfonds bereitgestellt. [10]

Die Initiative „Regionale Krankenhausinfrastruktur erhalten“ hat den Ministerpräsidenten von NRW, Armin Laschet, angeschrieben und um ein Gespräch gebeten. In der Antwort vom 26. Februar 2020 wird die Initiative mit der Begründung abgewiesen: „Da wir aktuell an der Erstellung des neuen Krankenhausplans arbeiten und dies für uns angesichts des eng bemessenen Zeitplans Priorität hat, können wir nicht allen Gesprächswünschen nachkommen. Vor diesem Hintergrund bitte ich um Verständnis.“

Auch die katholische Kirche, mit 201 Kliniken großer Akteur im nordrhein-westfälischen Krankenhaussektor, gab der Initiative einen Korb auf die Bitte um ein Gespräch. In ihren Antwortschreiben bat die Bischofsvertretung NRW um Verständnis, dass sie „nicht noch weitere Gesprächs- und Diskussionsforen begründen“ wolle und zog sich auf ihre Verpflichtung zur Verschwiegenheit im Hinblick auf die Arbeit im Landesausschuss für Krankenhausplanung zurück.

Krankenhausschließungen trotz Covid-19

Dass auch die Bundesregierung trotz der Corona-Epidemie an den Schließungsplänen festhält, zeigt die Antwort von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vom 26. März 2020 auf die Frage, ob weitere Krankenhausschließungen vorgenommen werden: „Wir merken, dass die Krankenhaus- und Pandemieplanung besser konzeptionell zusammengedacht werden. Das heißt nicht, weniger oder mehr Häuser. Das heißt für mich eine noch bessere Abstimmung.“

Die Bundesregierung spricht aufgrund der Corona-Krise von der Notwendigkeit, die Intensivbettenzahl zu erhöhen, und lässt es trotzdem zu, dass Krankenhäuser weiter geschlossen werden. Hier sind einige Beispiele aktueller Schließungen bzw. Schließungsabsichten:

Längerfristig sind in den nächsten fünf bis zehn Jahren auch die Schließungen folgender Krankenhäuser geplant: Lörrach, Rheinfelden, Schopfheim und das St. Elisabethen-Krankenhaus Lörrach, Böblingen und Sindelfingen, Ettenheim, Kehl, Gengenbach und Oberkirch, Standort Ebertplatz in Offenburg (alle Baden-Württemberg).

Unser Forderungskatalog an die Gesundheitsministerkonferenz 2020

Die aktuelle Corona-Pandemie verweist auf den Kernauftrag der Krankenhäuser, Leben zu schützen und zu retten. Krankenhäuser sind deshalb Bestandteil der Öffentlichen Daseinsvorsorge und dürfen nicht marktwirtschaftlich gesteuert werden. Daraus resultieren sechs Forderungen, die wir am 22. Mai der Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci übergeben haben. Die Berliner Gesundheitssenatorin hat den Vorsitz der Gesundheitsministerkonferenz 2020, die ursprünglich am 17./18. Juni stattfinden sollte, jetzt aber ohne nähere Terminangabe verschoben wurde.

Bundesweite Petition an Gesundheitsminister Spahn unterschreiben

In Deutschland schließen  fast monatlich Krankenhäuser. Kommunale Kliniken machen dicht, weil ihnen das Geld ausgeht, private Kliniken werden geschlossen, weil sie aus Sicht der Eigentümer nicht genügend Rendite erbringen. Diese Entwicklung muss umgehend gestoppt werden. Krankenhäuser retten Leben. Mit Corona droht sich das Kliniksterben noch zu verstärken. Jeden Tag kann eine weitere Klinik verloren gehen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn trägt die Verantwortung – er muss handeln! Unterzeichnen Sie jetzt unsere Petition an Jens Spahn.

Quellen:
[1] Katrin Kusche/Carl Waßmuth: „Krankheit muss sich rechnen oder: Spiel mir das Lied vom Tod “, aus: Lunapark21 Extra 2017/18
[2] Klaus Emmerich: „Kliniksterben – eine Übersicht!“
[3] Siehe: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32007R1370&from=DE
[4] „Herzstillstand“ in der Süddeutschen Zeitung, Buch zwei, Nr. 38, 15./16. Februar 2020
[5] Siehe: https://www.hna.de/lokales/wolfhagen/wolfhagen-ort54301/notarzt-matthias-hughes-zuletzt-war-wolfhager-klinik-rappelvoll-13525455.html
[6] Siehe: Bertelsmann-Studie „Zukunftsfähige Krankenhausversorgung“, S. 27
[7] „Herzstillstand“ in der Süddeutschen Zeitung, Buch zwei, Nr. 38, 15./16. Februar 2020
[8] „Über- und Fehlversorgung in deutschen Krankenhäusern: Gründe und Reformoptionen“, Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen, 01/2018
[9] Tobias Bevc: „Medienhype um die Klinikstudie der Bertelsmann-Stiftung“, 16.07.2019
[10] Antragsverfahren zur Gewährung von Fördermitteln aus dem Krankenhausstrukturfonds nach §§ 12a bis 14 KHG für freiwillige Schließung von Krankenhäusern, jährlich bis zu 500 Millionen Euro. „Anträge könnten vom 01.10.2019 bis zum 03.03.2020 gestellt werden.“ Siehe: https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/antragsverfahren_zur_gewaehrung_von_foerdermitteln_aus_de

zitiert aus … Quelle … Gemeingut in Bürgerhand

Wir unterstützen solidarisch die Forderungen, dass Gesundheitsversorgung muss wieder Daseinsvorsorge werden und darf nicht länger eine Ware sein! Stoppt die bundesweite Schließung der Krankenhäuser sowie die Privatisierung!!

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