EuGH stärkt AirBnB: Erhalt von Wohnraum verstößt gegen das EU-Recht
AirBnB steht in der Kritik, weil der US-Konzern die massenhafte Umwandlung von Mietwohnungen in Ferienwohnungen forciert – ein Problem besonders in größeren Städten und touristischen Orten. Mit seinem Geschäftsmodell verschärft AirBnB die städtische Wohnungskrise. Denn längst tummeln sich auf seinem Webportal professionelle Anbieter*innen, die Wohnungen dauerhaft dem Mietmarkt entziehen.(1) Das Geschäft ist überaus profitabel: Im Vergleich zu Mietwohnungen lässt sich mit Ferienwohnungen das Vier- bis Fünffache an Einnahmen erzielen.
Mit Maßnahmen wie Zweckentfremdungsverboten versuchen Städte in ganz Europa, der Umwandlung in Ferienwohnungen Einhalt zu gebieten. Bei der Durchsetzung scheitern sie jedoch regelmäßig an AirBnB. Da die Anbieter*innen auf der Plattform meist nur mit Vornamen inserieren und die Adresse der Wohnungen fehlt, bräuchten die Städte die vollständigen Namen der Vermieter*innen sowie die Adressen der Ferienwohnungen. Diese Daten aber verweigert AirBnB regelmäßig den Behörden.
Die Ohnmacht der Kommunen
Eine Durchsetzung der Zweckentfremdungsverbote würde die Profite des US-Konzerns empfindlich schmälern, denn AirBnB verdient an jeder Vermietung mit, egal ob legal oder illegal. Aufgrund der Datenblockade von AirBnB müssen die Städte enormen Aufwand treiben, um illegale Ferienwohnungen aufzuspüren. Die Ohnmacht der Stadtverwaltungen ist so groß, dass sie häufig die Bevölkerung um Mithilfe bitten.
Andere Städte lassen sich auf Kooperationsangebote von AirBnB ein. Doch die Erfahrungen, die diverse US-amerikanische Kommunen bereits mit diesen Kooperationen gemacht haben, sind ernüchternd. Der Konzern diktiert die Konditionen und blockiert weiterhin den Zugriff auf erforderliche Informationen.(2)
Einige Städte versuchten, gerichtlich an die Daten der AirBnB- Vermieter*innen zu gelangen. Auch das meist ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht Berlin etwa beschied, dass Auskunftsersuchen nur an AirBnBs Europazentrale in Irland gerichtet werden können, da nur sie die Diensteanbieterin im europäischen Binnenmarkt sei.(3) Anfragen mehrerer Kommunen an die irische Zentrale blieben aber ebenfalls erfolglos.
In der irischen Steueroase Dublin profitiert AirBnB nämlich nicht nur vom dortigen Niedrigsteuersatz, sondern auch von der Dienstleistungsfreiheit im EU- Binnenmarkt. In seinen juristischen Auseinandersetzungen macht der US-Konzern geltend, er genieße den Schutz der E-Commerce-Richtlinie der EU und des darin verankerten Herkunftslandprinzips. Nach diesem Prinzip steht grundsätzlich nur dem Sitzland, in diesem Fall Irland, die Kontrolle von AirBnB zu, einschließlich der Geschäfte in allen anderen EU-Mitgliedsstaaten.
EuGH verschärft die Wohnungskrise
Ein französisches Gericht wollte nun im Juni 2018 vom EuGH wissen, ob AirBnB tatsächlich unter die E-Commerce-Richtlinie fällt. Der Hintergrund: Die Pariser Staatsanwaltschaft hatte Klage gegen AirBnB erhoben, weil der Konzern ohne eine Maklerlizenz Immobilien vermittelte. AirBnB dagegen bestritt, als Immobilienmakler tätig zu sein. Das französische Makler-Gesetz (Loi Hoguet) sei nicht auf AirBnB anwendbar, weil dies mit der E-Commerce-Richtlinie kollidiere.
In seinem Urteil vom 19. Dezember 2019 schloss sich der EuGH der Argumentation von AirBnB an. Der Konzern erbringe einen “Dienst der Informationsgesellschaft” nach der E-Commerce- Richtlinie und genieße die grenzüberschreitende Dienstleistungsfreiheit im EU-Binnenmarkt. Das französische Recht sei daher nicht anwendbar.(4)
Für Städte, die gegen die grassierende Umwandlung in Ferienwohnungen ankämpfen, ist das EuGH-Urteil ein “herber Rückschlag”, wie der Österreichische Städtebund kritisiert.(5) Bereits im Vorfeld der Entscheidung hatte ein Bündnis von zehn europäischen Städten, darunter Berlin, München, Wien, Amsterdam, Barcelona, Brüssel und Paris, in einem offenen Brief vor den Folgen eines negativen Urteils gewarnt.(6) Doch vergeblich. Denn den erforderlichen Zugriff auf AirBnBs Vermietungsdaten hat das Luxemburger EU-Gericht nun nahezu unmöglich gemacht. Das dürfte sich auch negativ auf Gerichtsverfahren in Deutschland auswirken.
Rechtsdurchsetzung: Quadratur des Kreises
Im Dezember 2018 schöpften deutsche Städte kurzzeitig Hoffnung, weil das Münchener Verwaltungsgericht eine Klage von AirBnB Irland gegen ein Auskunftsverlangen der Stadt München abgewiesen hatte….
kompletten Artikel lesen … Quelle … Attac Theorieblog
weitere Informationen:
1) Corporate Europe Observatory – CEO (2018): UnFairbnb. https://corporateeurope.org/sites/default/files/unfairbnb.pdf
2) Inside Airbnb’s „Guerrilla War“ Against Local Governments. Wired-Magazin 20.03.2019 unter
https://www.wired.com/story/inside-airbnbs-guerrilla-war-against-local-governments
3) Auskunftsverfügung auf der Grundlage des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum.Verwaltungsgericht Berlin 14.03.2018 – 6 K 676.17 unter http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/portal/t/awc/bs/10/page/ sammlung.psml;jsessionid=DAA6D2B42024ED9E205EDACEBF3AC5BE.jp11? pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=11 &fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE180005652&doc.part=L&doc.price=0.0&doc.hl=1#focuspoint
4) EuGH-Urteil vom 19.12.2019 – C390/18 unter http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf? text=&docid=221791&pageIndex=0&doclang=de&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=1339853
5) EuGH / Airbnb-Urteil / Städtebund: Rückschlag für Österreichs Städte. APA-OTS 20.12.2019 unter https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20191220_OTS0067/eughairbnb-urteilstaedtebund-ein- rueckschlag-fuer-oesterreichs-staedte6) Pressemitteilung: Cities alarmed about European protection of holiday rental unter https://www.amsterdam.nl/bestuur-organisatie/college/wethouder/laurens-ivens/persberichten/press- release-cities-alarmed-about
7) Zu den Anforderungen an die Rechtmäßigkeit eines behördlichen Auskunftsverlangens nach Zweckentfremdungsrecht. Verwaltungsgerichtshof Bayern 20.08.2019 – 12 ZB 19.333 unter https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2019-N-18701? hl=true&AspxAutoDetectCookieSupport=1
8) Telemediengesetz unter https://www.gesetze-im-internet.de/tmg/__14.html
9) Die eigene Wohnung als Urlaubsdomizil—Steuerrecht bei Vermietung über Airbnb & Co. Legal Tribune Online 09.09.2019 unter https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/airbnb-vermietung-finanzamt- einkommenssteuer10) Keine Angaben zu Fragen nach Airbnb. HiB 26.10.2018 unter https://www.bundestag.de/presse/hib/575842-575842
11) Pantazatou, K. (2018): Taxation of the Sharing Economy in the European Union unter https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3091281
12) Germany seeks Airbnb Ireland’s help to catch tax evaders.The Irish Times 18.05.2018 unter https://www.irishtimes.com/business/technology/germany-seeks-airbnb-ireland-s-help-to-catch-tax- evaders-1.3500162