»Genossenschaft von unten» zum Mietendeckel

Stellungnahme der Initiative »Genossenschaft von unten» zum Referentenentwurf des »Gesetzes zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (Berliner MietenWoG)»

c/o Berliner Mietergemeinschaft Möckernstraße 92 10963 Berlin

Stellungnahme
zum Referentenentwurf des »Gesetzes zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in
Berlin (Berliner MietenWoG)» (Stand 30.08.2019) Berlin, 30.9.2019
Vorwort
Die Initiative »Genossenschaft von unten» begrüßt und unterstützt grundsätzlich den für
Berlin beschlossenen »Mietendeckel» und den Erlass eines Gesetzes zur
Mietenbegrenzung. Die Initiative »Genossenschaft von unten» prangert seit Jahren die
gefährliche Mietpreistreiberei in den Berliner Wohnungsgenossenschaften an.
Die Initiative »Genossenschaft von unten» war zur Anhörung der Verbände nicht
eingeladen. Sie nutzt die Gelegenheit, ihren Standpunkt zur Mietpreistreiberei in den
Wohnungsgenossenschaften und ihre Erfahrungen mit den Verantwortlichen darzulegen.

Erfahrungen
Die Vorstände der Berliner Wohnungsgenossenschaften erlassen Mietkonzeptionen, in
denen die Mieten (Nutzungsentgelte) systematisch und planmäßig erhöht werden. Den
Preiserhöhungen liegen nicht Wirtschaftlichkeitsberechnungen zugrunde, sondern die
Mieten werden ohne Notwendigkeit den steigenden Werten des Mietspiegels angepasst.
Wir gehen von dem Grundsatz aus, dass die Wohnungsgenossenschaften nicht für den
Markt, sondern für die Versorgung ihrer Mitglieder bauen. Für die Nutzung der Wohnung
zahlen die Mitglieder Nutzungsentgelte. Deren Grundlage sind nicht Marktpreise, sondern
die Kosten für den Bau und die Unterhaltung der Wohnbauten. Mit ihren Geschäftsanteilen
sind die Mitglieder an den Baukosten beteiligt. Genossenschaften kaufen und verkaufen
nicht am Wohnungsmarkt, sondern sie versorgen ihre Mitglieder mit gut ausgestatteten,
preiswerten Wohnungen. Genossenschaften müssen kein Kapital verwerten und keinen
Profit erzielen.

Die Mietkonzeptionen der Genossenschaften werden nicht von den Mitgliedern
beschlossen, sondern von den Vorständen selbstherrlich erlassen. Das widerspricht dem
Grundsatz der Selbstverwaltung und der genossenschaftlichen Demokratie. Die
Mieterhöhungen der Genossenschaften entsprechen nicht dem Willen der Mitglieder,
sondern sie entspringen dem Ehrgeiz und dem Managerdenken der Vorstände. Die
Mitglieder werden ohne ökonomische Notwendigkeit in den Strudel des Preisauftriebs
gerissen. Deshalb fordert die Initiative »Genossenschaft von unten» die Änderung des
Genossenschaftsgesetzes (§ 27) und die Wiederherstellung des Rechts der
Generalversammlung, dem Vorstand geschäftspolitische Weisungen erteilen zu dürfen.
Mietendeckel – eine alte Forderung der Initiative »Genossenschaft von unten».
Vorschläge und Forderungen der Initiative »Genossenschaft von unten»
Offener Brief der Initiative »Genossenschaft von unten» vom 25.3.2013 an die
Vorstände der Berliner Wohnungsgenossenschaften
In dem Offenen Brief hat die Initiative die Vorstände aufgerufen, auf die Verschlechterung
der Bestimmungen des »Gesetzes über die energetische Modernisierung von vermietetem
Wohnraum und über die vereinfachte Durchsetzung von Räumungstiteln
(Mietrechtsänderungsgesetz)» für die Mieter freiwillig zu verzichten, zum Beispiel auf den
Wegfall des Einspruchsrechts gegen die Modernisierungsankündigung und den Wegfall
der Mietminderung bei Modernisierung (Anlage 1). Bereits darin stellte die Initiative
»Genossenschaft von unten» Forderungen nach einer Deckelung der Mieten in den
Wohnungsgenossenschaften. Zum Beispiel bei der Modernisierungsumlage und bei vom
Vorstand geplanten Mieterhöhungen
Die Vorstände haben darauf ablehnend oder nicht reagiert.
Grundsätze der Initiative »Genossenschaft von unten» einer Mietenkonzeption für
Wohnungsgenossenschaften vom 29.8.2014
Als Alternative zu den Mietkonzeptionen der Vorstände übergab die Initiative den
Vorständen der Berliner Wohnungsgenossenschaften und dem BBU ihre Grundsätze einer
Mietenkonzeption für Wohnungsgenossenschaften (Anlage 2). Kern der Konzeption ist die

Gestaltung der Mieten (Nutzungsentgelte) in den Wohnungsgenossenschaften gemäß der
Entwicklung der Kosten und nicht der Preise am Wohnungsmarkt.
Auch darauf wurde weder von den Vorständen noch vom BBU reagiert.
Offener Brief der Initiative »Genossenschaft von unten» an die Vorstände der
Berliner Wohnungsgenossenschaften vom 23.11.2016
Nach der Bildung der Koalition von SPD, Der Linken und der Grünen im November 2016
rief die Initiative »Genossenschaft von unten» die Vorstände der
Wohnungsgenossenschaften in einem Offenen Brief auf, geplante Mieterhöhungen
auszusetzen und sich freiwillig den Mietbegrenzungen in den städtischen
Wohnungsgesellschaften, gemäß der Berliner Koalitionsvereinbarung, anzuschließen
(Anlage 3). Die Vorstände jedoch verfolgten ihre Pläne zu Mieterhöhungen weiter.

Absichtsvolle Falschinformationen
Die Initiative »Genossenschaft von unten» distanziert sich ausdrücklich von einer in den
Wohnungsgenossenschaften verteilten »Mitgliederinformation» von nicht namentlich
genannten »Wohnungsbaugenossenschaften Berlin» vom 4.9.2019. Darin wird der
Mietendeckel mit unqualifizierten und demagogischen Argumenten diffamiert (»Berlin baut
lieber Mist als Wohnungen. Wir können nicht mehr in Neubau investieren»,
»Verstaatlichung statt Selbstverwaltung», »Angriff auf das Genossenschaftsmodell»).
Diese »Mitgliederinformation» bringt nicht die Meinung der Mitglieder zum Ausdruck,
sondern allein den Standpunkt der Vorstände. In ihr soll den Mitgliedern der
Genossenschaften suggeriert werden, dass der Mietendeckel den Genossenschaften
schade, den Neubau verhindere, die Genossenschaften »verstaatliche», »Mogelpackung»
und Unrecht sei, den sozialen Frieden störe und schließlich zum Ruin der
Genossenschaften führe. Die »Information» ist nicht von nicht besoldeten Mitgliedern der
Genossenschaften verfasst. Die Genossenschaftsmitglieder sind grundsätzlich an stabilen
Mieten und nicht an Mieterhöhungen interessiert. Gerade darin besteht der Vorzug des
Wohnens in einer Genossenschaft. Die Verfasser geben vor, im Namen der Mitglieder zu
sprechen. Sie ignorieren aber konsequent alternative Vorschläge von
Genossenschaftsmitgliedern.
Die Mitglieder selbst können ihre Meinung nur schwer artikulieren, weil sie dafür keine
organisatorische Basis haben. Der Verband Berlin-Brandenburgischer
Wohnungsunternehmen BBU arbeitet zum Beispiel nur mit den Vorständen zusammen,
ohne die Interessen der Mitglied zu berücksichtigen, und lehnt die Beratung von und mit
Mitgliedern ab. Bereits im April 2019 hatte sich der BBU in einer Flugschrift gegen einen
»Enteignungswahnsinn», das heißt gegen das Volksbegehren »Deutsche Wohnen
enteignen», gewandt und darin den Eindruck erweckt, Wohnimmobilien allgemein und
auch die der Wohnungsgenossenschaften könnten enteignet werden.
Der Senat sollte seine Maßnahmen zur Förderung der Genossenschaften davon abhängig
machen, ob sie den Mietendeckel akzeptieren und an seiner Realisierung mitarbeiten.
Im Detail kann der Mietendeckel auch Nachteile für Vermieter mit sich bringen. Dem steht
der Vorteil der Lösung oder Minderung einer sozialen Krise in Berlin gegenüber. Die
Initiative »Genossenschaft von unten» verlangt von den Vorständen der
Wohnungsgenossenschaften Verantwortungsbewusstsein im Interesse der Stadt.

II. Bemerkungen zum Referentenentwurf im Einzelnen

Zu § 1(Anwendungsbereich)
Die Freigabe von Mieten bei Neubauten schafft die Gefahr von masslos überteuerten
Mieten. Gerade junge Familien, die eine (eigene) Wohnung brauchen, werden zu hohen
Mieten erpresst oder sie können diese Wohnungen nicht mieten, und Tausende suchen
und finden keine Wohnung. Die Verärgerung wächst. Andere Vermieter werden angeregt,
bis an die Grenze des Erlaubten zu gehen – also ein neuer Impuls für einen Preisauftrieb.
Hier müssen Obergrenzen gefunden werden. Gleichzeitig muss die Stadt Berlin mit
eigenen Mitteln in großem Umfang Wohnungen bauen. Der »Markt» wird es nicht regeln.

Zu § 2 (Zuständigkeit, Aufgaben und Befugnisse)Zu § 2 Abs.3
Zur Verhinderung von Verstößen gegen das Gesetz sollten Mieterinitiativen und
Mietervertretungen das Recht erhalten, sich gegen Verstöße zu wehren und diese
anzuzeigen.

Zu § 3 (Mietenstopp)Zu § 3 Abs. 2
Die Regelung ist geeignet, den Bau von Luxuswohnungen zu hemmen. U.E. Ist jedoch
offen, wie das Ausufern des Baus von Eigentumswohnungen verhindert werden kann. Es
ist zu erwägen, bei der Erteilung von Baugenehmigungen einen Höchstanteil von
Eigentumswohnungen festzulegen.
Zu § 3 Abs.3
Die Steigerung der Höchstwerte um jährlich 1,3 Prozent erweckt den Anschein, die
Vermieter seien zu einer jährlichen Mieterhöhung berechtigt oder sogar aufgerufen. Die
Vermieter werden keine Gelegenheit versäumen, Mieten in verschiedener Form zu
erhöhen. Es ist zu erwarten, dass zum Beispiel die Vorstände von Genossenschaften, die
sich vehement gegen den Mietendeckel ausgesprochen haben, Objekte suchen, um ihre
angestrebten Einnahmesteigerungen zu realisieren, auch wenn dies weder durch
Kostenentwicklung, Bedarf noch durch Mitgliederbeschluss begründet ist.
Die vorgeschlagene Regelung öffnet Mieterhöhungen unzählige Möglichkeiten. Sie schützt
keinen Mieter vor Mieterhöhungen. Der Mietstopp wäre unwirksam. Das Vertrauen der
Mieter in die Politik der Koalition würde völlig zerstört. Die Steigerung der Höchstwerte
muss gestrichen werden.

Zu § 5 Abs. 3 (Mietobergrenzen)
Wenn Wohnungen in den letzten 15 Jahren modernisiert wurden, besteht keine
Notwendigkeit, die Miete zu erhöhen, da die Modernisierungsumlage nach höchstens
neun Jahren (bei einer Umlage von 11 Prozent jährlich) amortisiert ist und dem Vermieter
ein Überschuss entsteht, der zur Instandhaltung und zu Reparaturen eingesetzt werden
kann. Eine Freigabe sollte nur mit der Genehmigung des Bezirksamtes erfolgen (analog
zu § 7). Eine Modernisierungsumlage bei neuen Modernisierungsvorhaben lehnen wir ab.
Eine Erhöhung der Mietobergrenze lehnen wir ab.

Zu § 6 (Erhöhung der Miete nach Modernisierung)
Zu Abs. 1 und 2
Modernierungsumlagen sind grundsätzlich abzulehnen. Sie erhöhen auf Kosten der Mieter
das Vermögen des Vermieters ohne eigene Leistung.
Bei einer möglichen gesetzlichen Verpflichtung zur Modernisierung ist zu prüfen, ob diese
während des Mietendeckels ausgesetzt werden kann. Für diese Mieter gilt, wenn die
Bestimmung bleibt, dann der Mietendeckel nicht und eine Verdrängung könnte trotzdem
durchgeführt werden. Damit wird der Schutz der Bürger vor Mieterhöhungen untergraben,
und das Vertrauen der Bürger in die Mietenpolitik des Senats würde zerstört.
Auch bei einer Modernisierung zur Erreichung der Klimaschutzziele des Landes Berlin ist

zu verhindern, dass damit kostspielige Luxusmodernisierungen und Liebhabereien
untergeschoben werden. Ein Signal für eine Luxusmodernisierung könnte die
Verweigerung der Zustimmung der Mieter sein. Diese aber wurde mit dem
Mietrechtsänderungsgesetz abgeschafft. Es ist zu prüfen, ob die obligatorische
Zustimmung der Mieter zur Modernisierungsankündigung für Berlin wieder eingeführt
werden kann. Dann ist bei der Anzeige beim Bezirksamt mitzuteilen, ob Mieter die
Zustimmung verweigert haben.

Zu Abs. 3
Sofern die Genehmigung auf der Grundlage eines Kostenansatzes erteilt worden ist, ist
vom Bezirksamt nach der Durchführung zu kontrollieren, ob dieser eingehalten worden ist.
Zu § 7 (Härtefälle)
Bei entsprechenden Anträgen ist streng zu prüfen, ob der »Härte» Misswirtschaft und
Bereicherung zugrunde liegen.

Zu § 10 (Ordnungswidrigkeiten)
Es ist zu regeln, wer Ordnungswidrigkeiten feststellen und wer Bußgeldbescheide
erlassen darf.

Zu § 11 (Inkrafttreten und Außerkrafttreten)
Die Gestaltung der Mieten nach dem Ablauf des Mietendeckels muss sachkundig und
verantwortungsbewusst vorbereitet werden. Dazu sind Vermieter und Mieter,
Mietervereine, Verbände und Mieterinitiativen in breitem Maße zu beteiligen. Presse und
Öffentlichkeit sind einzuladen.
Im Gesetz sollte der Senat beauftragt werden, in einer bestimmten Frist ein Konzept für
die Mietenpolitik nach dem Außerkrafttreten dieses Gesetzes auszuarbeiten. Ferner ist der
Senat zu verpflichten, dem Abgeordnetenhaus jährlich über die Durchführung des
Gesetzes zu berichten. Mieterinitiativen und Mieterbeiräte sind an der Aussprache zu
beteiligen. Dies schafft eine Form der öffentlichen Kontrolle, die den städtischen Behörden
hilft, Verstöße gegen die Ziele des Gesetzes aufzudecken und zu verhindern.

Schlussbemerkung
Die Initiative »Genossenschaft von unten» kritisiert ausdrücklich, dass bei der Anhörung
von Verbänden im September 2019 die Initiativen von der Mieterbasis (Mieterinitiativen,
Initiativen von Genossenschaftsmitgliedern) nicht eingeladen worden waren.

Der Koalition und dem Senat empfehlen wir, sich bei der Durchführung des Mietendeckels
und bei der Einschätzung der Situation im Wohnungswesen stärker auf die Initiativen von
Mietern und Genossenschaftsmitgliedern zu stützen.
Zur Beratung des Gesetzentwurfs in den Ausschüssen des Abgeordnetenhauses sind
Initiativen der Basis einzuladen und ihnen ist Rederecht zu gewähren.
>Initiative »Genossenschaft von unten< 30.9.2019

Quelle: Genossenschaft von unten

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